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00:00:01,406 --> 00:00:04,585
Miriam: 13. September 1939.
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00:00:04,922 --> 00:00:08,101
Ich war 6 Jahre alt, als
wir nach Erfurt zogen.
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00:00:08,226 --> 00:00:09,992
Es ging uns sehr gut.
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00:00:10,039 --> 00:00:14,031
Lotte und ich wuchsen heran und
in dem Alter, wo man aufhört,
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00:00:14,056 --> 00:00:19,093
Kind zu sein, kam Hitler und mit ihm
Zerstörung, Not und Elend.
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00:00:19,469 --> 00:00:23,554
1933 verlor mein Vater seine Stellung.
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00:00:23,867 --> 00:00:26,695
Aber das alles war ihm
nicht so schlimm,
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00:00:26,813 --> 00:00:29,140
sondern das, worunter er so litt, war,
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00:00:29,297 --> 00:00:34,030
dass er als der Jude nicht mehr
vollwertig als Mensch behandelt wurde.
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00:00:34,195 --> 00:00:37,000
Musik und Theater, diese Dinge,
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00:00:37,023 --> 00:00:40,718
die er am meisten liebte,
wurden für Juden verboten.
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00:00:41,226 --> 00:00:46,539
Diese Worte schrieb Marion Feiner
im September 1939 in ihr Tagebuch.
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00:00:46,672 --> 00:00:51,953
Begonnen hatte sie es vier Jahre
zuvor, an ihrem 14. Geburtstag.
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00:00:52,008 --> 00:00:55,226
Nun ist das Tagebuch zum Zentrum
einer Sonderausstellung
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00:00:55,251 --> 00:00:58,555
im Erinnerungsort Topf
& Söhne in Kooperation
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00:00:58,603 --> 00:01:01,179
mit dem Freundeskreis
Yad Vashem geworden,
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00:01:01,204 --> 00:01:04,703
die noch bis Mai 2024
besucht werden kann.
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00:01:04,766 --> 00:01:08,640
Mit dem Tagebuch und den für die
Ausstellung recherchierten Geschichten
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00:01:08,719 --> 00:01:13,687
tauchen Sie tief ein in die Alltagswelt
eines jüdischen Mädchens in Erfurt,
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00:01:13,734 --> 00:01:19,085
das Sport, Kultur und Natur liebte
und seine Freundschaften pflegte.
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00:01:19,414 --> 00:01:23,992
Ein starkes und kluges Mädchen, das
vor die schwere Wahl gestellt wurde,
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00:01:24,023 --> 00:01:28,015
seine Eltern zu verlassen und
nach Palästina auszuwandern,
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00:01:28,078 --> 00:01:32,145
um sich vor der nationalsozialistischen
Verfolgung zu retten.
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00:01:32,343 --> 00:01:35,046
Dort konnte sie sich ein
neues Leben aufbauen,
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00:01:35,094 --> 00:01:40,894
mit der Änderung ihres Vornamens in Miriam
bekannte sie sich zu ihrer neuen Identität.
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00:01:42,875 --> 00:01:45,500
Ihren Eltern wurde die
Auswanderung verwehrt,
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00:01:45,570 --> 00:01:49,370
sie wurden im Ghetto Lemberg
inhaftiert und ermordet.
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00:01:50,617 --> 00:01:53,796
Die Ausstellung zeigt eine
Nachbildung des Tagebuchs,
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00:01:53,875 --> 00:01:56,625
selbst das sensible
Original-Tagebuch
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00:01:56,703 --> 00:02:01,370
lieh uns die israelischen Gedenkstätte
Yad Vashem für einen Monat.
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00:02:01,484 --> 00:02:05,609
Mithilfe einer App können Sie die
Seiten des handschriftlichen Textes
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00:02:05,633 --> 00:02:09,500
auf dem Tablet durchblättern und
die lateinische Druckschrift
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00:02:09,578 --> 00:02:13,687
und für das Verständnis
erforderliche Anmerkungen aufrufen.
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00:02:15,320 --> 00:02:18,303
Es ist sehr berührend,
dass dieses Tagebuch,
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00:02:18,344 --> 00:02:24,732
das 1935 nur vier Gehminuten von hier
entfernt in der Kruppstraße 11,
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00:02:24,757 --> 00:02:30,345
heute die Klausener Straße 11, begonnen
wurde, nun nach Erfurt zurückgekehrt ist -
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00:02:30,375 --> 00:02:34,414
in die Stadt, die für die
Tagebuchschreiberin immer wichtig blieb
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00:02:34,439 --> 00:02:39,009
und aus der sie vertrieben wurde, als
die Nationalsozialisten Demokratie,
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00:02:39,047 --> 00:02:42,601
Vielfalt und Menschenrechte zerstörten.