Willi Münzenberg, Erfurts vergessener Sohn: Propagandist der Komintern, Medienvisionär und europäischer Sozialist gegen Hitler und Stalin

21.03.2019 19:00 – 21.03.2019 21:00

Dr. Bernhard Bayerlein spricht über die Lebensgeschichte Willi Münzenbergs, seine Karriere als kommunistischer Organisator, Propagandist und Medienaktivist und den späteren Umgang mit seiner Biografie in Ost- und Westdeutschland.

Ein Mann steht auf einer Bühne. Er gestikuliert und spricht animiert. Hinter ihm ist ein Banner angebracht.
Foto: © Hoover Institution Library & Archives
21.03.2019 21:00

Willi Münzenberg, Erfurts vergessener Sohn: Propagandist der Komintern, Medienvisionär und europäischer Sozialist gegen Hitler und Stalin

Genre Veranstaltung
Veranstalter Stadtverwaltung Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne
Veranstaltungsort Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7, 99099 Erfurt
workTel. +49 361 655-1681+49 361 655-1681

Willi Münzenberg wurde 1889 in der Erfurter Augustinerstraße 31 als Sohn eines Dorfgastwirts geboren. Als "Leistenjunge" in der Eduard Lingel Schuhfabrik schloss er sich einem sozialdemokratischen Lehrlingsverein an. Aus diesem ersten Kontakt zur Politik wurde in der Weimarer Republik eine überragende Karriere als kommunistischer Organisator, Propagandist und Medienaktivist.

Als er 1921 von Lenin mit der Koordination von Hilfsaktionen während einer verheerenden Hungersnot in der Sowjetunion beauftragt wurde, baute er die Internationale Arbeiterhilfe (IAH) als weltweit agierendes Solidaritätsnetzwerk auf. Mit einem Mediengeflecht aus Zeitungen und Verlagen, Filmproduktion und -vertrieb schuf Münzenberg, selbst Reichstagsabgeordneter und ZK-Mitglied der KPD, durch die Schaffung weltweiter antikolonialer und antifaschistischer Netzwerke eine Gegenöffentlichkeit mit großer Reichweite und gewann dafür bekannte Kulturschaffende und Intellektuelle. Mit dem Erfurter Paul Schäfer, dem der Erinnerungsort derzeit eine Sonderausstellung widmet, war er gut bekannt und durch die KPD und die IAH verbunden.

Selbst ab 1933 im Visier der nationalsozialistischen Verfolger, unterstützte Münzenberg von Paris aus den kommunistischen Widerstand im Deutschen Reich. Zunächst ein Anhänger Stalins, wurde Münzenberg zu einem seiner Hauptfeinde. Ab Ende 1936 weigerte er sich, in die Sowjetunion zu reisen. Nach Abschluss des Stalin-Hitler-Paktes 1939 knüpfte er Netzwerke gegen den drohenden Krieg Hitlers und seinen Verbündeten Stalin und wurde zu einem Führer der deutschsprachigen Emigration. Im Oktober 1940 wurde er auf der Flucht vor der Wehrmacht in einem Wald südlich von Grenoble tot aufgefunden. Die Selbstmordthese der französischen Polizei ist fraglich, ein stalinistischer Auftragsmord wahrscheinlich, aber nicht belegt. Im Osten Deutschlands nach dem Krieg zur "Unperson" erklärt, blieb auch im Westen die Brückenfunktion des Thüringer Europäers zwischen den politischen Welten und Epochen lange nicht ausreichend gewürdigt.

Dr. habil. Bernhard H. Bayerlein ist u. a. Redakteur des Internationalen Willi Münzenberg Forums in Berlin und Mitherausgeber von Globale Räume für radikale transnationale Solidarität. Beiträge zum Ersten Internationalen Willi Münzenberg-Kongress 2015 in Berlin.

Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung statt.