Geschichte des Stadtmuseums

Das „Haus zum Stockfisch“

Sicht auf die reich verzierte Fassade eines Hauses und davorstehende rote Würfel, die das Wort Stadtmuseum ergeben
Foto: Stadtmuseum „Haus zum Stockfisch“ Foto: © Stadtverwaltung Erfurt

Das „Haus zum Stockfisch“ liegt außerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns, aber noch innerhalb der Stadtbefestigung, die sich im Osten auf dem heutigen Juri-Gagarin-Ring anschloss. Bis zum Bau des äußeren Befestigungsringes im 15. Jahrhundert gilt als wahrscheinlich, dass eine Bebauung auf der Ostseite der Johannesstraße nicht zugelassen wurde.

Vor dem heutigen traufständigen (d.h. mit der seitlichen Dachkante, der „Traufe“ zur Johannesstraße ausgerichtet) Haus existierte ein gotischer giebelständiger (d. h. mit der Giebelseite zur Johannesstraße ausgerichtet) Vorgängerbau. Diesen muss man sich neben anderen gleich aussehenden schmucklosen, mit steil aufragenden Dächern versehenen Häusern vorstellen. Bereits damals tauchte der Name „Zum kleinen und großen Stockfisch“ auf. Stockfische – getrocknete Meeresfische waren im Mittelalter und in der Neuzeit ein beliebtes Fernhandelsgut.

Der Waidhändler und Biereigen Paul Ziegler lies 1607 auf einem mittelalterlichen Keller ein attraktives Wohn- und Geschäftshaus, dem Zeitgeschmack der Spätrenaissance entsprechend, bauen. Verzögert durch den frühen Tod des Bauherren, den Konjunkturrückgang des Waidhandels im 17. Jahrhundert und die Schäden des 30jährigen Krieges, zog sich die Realisierung des Gebäudes ungefähr ein halbes Jahrhundert hin.

1697 wurde das „Haus zum Stockfisch“ von den Erben Paul Zieglers an Georg Heinrich und Johann Heinrich Gerstenberg verkauft. Es folgten in den kommenden Jahren häufige Besitzerwechsel. Im 17. und 18. Jahrhundert nahmen die Eigner kaum nutzungsbedingte Änderungen vor, aber ein Teil der Innenräume wurde barock umgestaltet.

Größere Bauveränderungen im Innenraum und im Hofgelände erfolgen im 19. und 20. Jahrhundert: 1836 erwarb der Lederfabrikant Heinrich Hermann Hofmann das Haus. Seine Lederverarbeitung sowie die nachfolgenden Nutzungen als Mantelfabrik und Weingroßhandlung brachten Veränderungen zu Gunsten der Fabrikationsbedürfnisse mit sich.

Schwarz-Weiß-Foto der Fassade des Stadtmuseums mit Beschriftung auf Höhe der Obergeschosse
Foto: Blick auf das „Haus zum Stockfisch“ zwischen 1900 und 1905 Foto: © Stadtverwaltung Erfurt / Sammlung Stadtmuseum

Die herausragende Architektur des Hauses

Der gestalterische Aufwand beim Umbau im 17. Jahrhundert macht das „Haus zum Stockfisch“ zu einem bedeutenden Baudenkmal der Spätrenaissance in Erfurt.

Die gesamte Erdgeschosszone ist mit einer Art Schachbrettmuster aus hervorspringenden und zurückstehenden Steinquadern gestaltet, zum einen zugespitzt, zum anderen mit Beschlagwerk ornamentiert.

Auf der Nordseite der Fassade zur Johannesstraße befindet sich eine Durchfahrt zum Hof (der heutige Eingang zum Stadtmuseum), im südlichen Drittel ein reich verziertes Gewändenischen-Portal. Dieses ist, einschließlich des reich gestalteten Türklopfers aus der Bauzeit vollständig erhalten. Der zweigeschossige Erker mit Ziergiebel und das Portal sind prächtig geschmückt.

Über dem Portal befindet sich eingerahmt das Hauszeichen – ein Fisch, der keiner Spezies zugeordnet werden kann und auf dem Wasser vor einer Fantasie-Landschaft schwimmt.

Darunter ist die Inschrift in Großbuchstaben zu lesen: „Das Haus stehet in Gottes Hand zum Stockfisch ist genand“

Wappen

Die Wappen der Erstbesitzerfamilien Milwitz und Ziegler wurden am Erker platziert.
Oberhalb des Eingangsportals fügte man die Wappen einstiger Besitzer ein.

Das Stadtmuseum im „Haus zum Stockfisch“

graue Fassade des Gebäudes und zwei parkende Pkws Trabant
Foto: Blick auf das Museum für Stadtgeschichte in den 1970er Jahren Foto: © Stadtverwaltung Erfurt / Stadtmuseum

1905 kaufte die Stadt Erfurt das „Haus zum Stockfisch“ und brachte hier die kunstgewerbliche Sammlung unter. Seit 1922 standen dem Museum für Naturkunde erste Räume zur Verfügung. Während der Zwanziger Jahre befanden sich hier das Standesamt, eine Bücherei und Wohnungen.
Das Naturkundemuseum war von 1947 bis 1965 im Haus untergebracht.

Nach 1965 wurde das Gebäude dem neugegründeten „Museum für Erfurter Stadtgeschichte“ zugeordnet. Dieses eröffnete 1974 seine erste Ausstellung zur Erfurter Geschichte von 1500 bis in die Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgten drei große Sanierungen – 1957, 1992–94 und schließlich 1998, bei der nach mehrjährigen Vorarbeiten die Rekonstruktion der originale Farbfassung der Fassade erfolgte.

Seit 2012 präsentiert das Stadtmuseum die beiden Dauerausstellungen „Tolle Jahre – An der Schwelle zur Reformation“ und „Geschichtslabor. Rebellion – Reformation – Revolution“, die sich mit Erfurt als spätmittelalterlicher Metropole und den Ereignissen und Auswirkungen der Reformation auseinandersetzen.

Dazu bietet das Haus wechselnde Ausstellungen zu Themen der Stadtgeschichte und im 2. Obergeschoss ein Museumskino mit historischen Stadtansichten und einem Überblick zur Stadtentwicklung.

Weiterhin betreibt das Stadtmuseum Nebeneinrichtungen mit dem Druckereimuseum im Benary-Speicher, dem Luftschutzkeller und dem Bartholomäusturm.