Virtuelle Rekonstruktion der Großen Synagoge abgeschlossen

02.09.2021 08:48

Am gestrigen Mittwoch wurde in Erfurt die virtuelle Rekonstruktion der 1884 geweihten und 1938 von den Nationalsozialisten zerstörten Großen Synagoge der Öffentlichkeit vorgestellt.

Interaktive Virtual Reality-Anwendung und Web-3D-Modell an die Öffentlichkeit übergeben

Innenraum einer Synagoge erblickt durch Brillengläser
Bild: © Fachhochschule Erfurt

Die Präsentation fand in der Neuen Synagoge der Jüdischen Landesgemeinde und damit an dem Ort statt, an dem zuvor die Große Synagoge stand. Gleichzeitig wurde ein Web-3D-Modell der Großen Synagoge freigeschaltet.

Über 1.400 Synagogen und Betstuben wurden im November 1938 im Deutschen Reich von den Nationalsozialisten zerstört, darunter auch die imposante, im maurischen Stil erbaute Große Synagoge von Erfurt. Nun wurde sie mit aufwändiger und innovativer Technik virtuell rekonstruiert.
Angesichts der fragmentarischen Überlieferung von Quellen war es eine Herausforderung, detailgenau die Architektur, die religiösen Objekte, die Geschichte der Menschen in der Synagoge und des Baus zu recherchieren, zu rekonstruieren, zu programmieren und so als Raum mit Klang, Bildern und Videos zugänglich zu machen. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus drei Thüringer Hochschulen arbeiteten unter Leitung von PD Dr. Annegret Schüle, Oberkuratorin der Erfurter Geschichtsmuseen, ein Jahr an dieser Aufgabe. Beteiligt waren Prof. Dr. Christiane Kuller (Neuere und Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik) und Prof. Dr. Patrick Rössler (Empirische Kommunikationsforschung/Methoden) von der Universität Erfurt, Prof. Yvonne Brandenburger (Gebäudeentwurf und Bauplanung) und Prof. Rolf Kruse (Digitale Medien und Gestaltung) von der  Fachhochschule Erfurt sowie Dr. Andreas Christoph (Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek an der Universität Jena) und zahlreiche junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Große Unterstützung leistete die Jüdische Landesgemeinde, insbesondere Landesrabbiner Alexander Nachama.

Mit dem Kooperationsprojekt wurde zum ersten Mal eine Thüringer Synagoge rekonstruiert. Unter den bislang virtuell zugänglichen Synagogen bietet die VR-Anwendung der Erfurter Synagoge eine innovative Besonderheit: Sie ermöglicht erstmals Interaktivität und schafft damit für die Nutzerinnen und Nutzer noch mehr Realitätsnähe. Sie können sich individuell bewegen, mit Objekten interagieren und nach eigener Auswahl Informationen zur jüdischen Geschichte in der Synagoge abrufen.

Die virtuelle Rekonstruktion der Großen Synagoge vermittelt einem breiten, heterogenen und insbesondere jungen Publikum niedrigschwellig einen Zugang zur jüdischen Geschichte und Kultur als integraler Bestandteil der städtischen Geschichte und Gegenwart.
Gleichzeitig steht ein Web-3D-Modell mit allen Inhalten im Internet zur Verfügung.

Das Kooperationsprojekt wurde von der Thüringer Staatskanzlei im Rahmen des Themenjahres „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“ gefördert. Für Ministerpräsidenten Bodo Ramelow war es besonders wichtig, dass mit der Großen Synagoge Erfurt ein wichtiger Teil der Thüringer Geschichte nun auf großartige Weise virtuell erlebbar ist. Dr. Tobias J. Knoblich, Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung der Stadt Erfurt, unterstrich, dass so junge Menschen mithilfe neuer Technik für die Auseinandersetzung mit der Geschichte begeistert werden können. Projektleiterin PD Dr. Annegret Schüle betonte das Anliegen des Projektes, ein Zeichen gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus, für Demokratie, Religionsfreiheit und Menschenrechte zu setzen.

Die VR-Brillen sind kostenfrei nutzbar im Showroom „360Grad Thüringen Digital Entdecken“ der Thüringer Tourismus GmbH, im Erinnerungsort Topf & Söhne und in der 1952 am historischen Standort der Großen Synagoge errichteten Neuen Synagoge der Jüdischen Landesgemeinde.