80 Jahre nach der Deportation von Jüdinnen und Juden: Kooperationsprojekt startet mit Schreibaktion

04.05.2022 10:03

474 Namen. Jeder Name steht für einen Menschen aus Erfurt, der zwischen 1933 und 1945 aufgrund seines jüdischen Glaubens oder seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Damit diese Namen nicht vergessen werden, findet am 9. Mai eine große Aktion „Schreiben gegen das Vergessen“ statt. Dazu werden am Montag von 11 bis 13 Uhr auf dem Willy-Brandt-Platz zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zum Gedenken die Namen der Erfurter Opfer der Shoah mit weißer Schulkreide auf den Platz schreiben.

Schreiben gegen das Vergessen

viele Menschen mit gelber Warnweste kniend und schreibend auf einer Straße
Foto: Schreibaktion von Margarete Rabow für die 66.000 ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden in Wien, 2018 Foto: © Claudia Rohrauer

Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Landesrabbiner Alexander Nachama gestalten diese Gedenkaktion mit. Auch Dr. Tobias J. Knoblich, Erfurts Beigeordneter für Kultur und Stadtentwicklung, wird sich beteiligen. Er sagt dazu: „Es ist richtig und wichtig, diese aufrüttelnde Botschaft in Gedenken an die Opfer im Stadtbild sichtbar zu machen und damit in die Gesellschaft zu transportieren.“ Projektleiterin PD Dr. Annegret Schüle, Oberkuratorin am Erinnerungsort Topf & Söhne, betont den Gegenwartsbezug des historischen Lernens: „Jugendliche, die Kenntnis erhalten von der jüdischen Geschichte ihrer Stadt, werden so sensibilisiert für die Gefahren des Antisemitismus heute.“ Die Künstlerin Margarete Rabow, die ähnliche Projekte bereits in anderen Städten durchgeführt hat, erklärt die Entscheidung für Kreide als Schreibmaterial: „Kreide ist ein ganz einfaches Medium, das jeder kennt. Außerdem kniet man beim Schreiben fast in einer Art Demutspose vor den Namen.“

Alle Bürgerinnen und Bürger können sich für die Schreibaktion noch unter www.schreiben-gegen-das-vergessen.eu anmelden. Wer spontan vor Ort kommt, hat ebenfalls die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen.

Die Aktion ist der Auftakt für ein umfassendes Projekt zur Erinnerung an die Deportation aus Thüringen vor 80 Jahren. Am 9. Mai 1942 wurden Jüdinnen und Juden aus Erfurt und weiteren 41 Orten in Thüringen in die Viehauktionshalle nach Weimar gebracht und von dort am nächsten Tag in das Ghetto Bełżyce verschleppt. Diese erste große Deportation markiert den Beginn der Shoah in Thüringen. Am 19. September 1942 folgte eine weitere große Deportation aus Thüringen nach Theresienstadt. 80 Jahre danach setzt sich ein großes Kooperationsprojekt des Erinnerungsortes Topf & Söhne zum Ziel, öffentlich, partizipativ und gleichzeitig dauerhaft an die rund 2.500 Menschen aus Thüringen zu erinnern, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens und ihrer jüdischen Herkunft um ihr Leben gebracht wurden.

Im September sind weitere Aktionen „Schreiben gegen das Vergessen“ in Meiningen, Gera und Weimar geplant. Ein digitales Gedenkbuch sowie ein neues Bildungsangebot zum jüdischen Leben und seiner Zerstörung im Erinnerungsort Topf & Söhne sind ebenfalls Teile des Projekts.

Kooperationspartner sind die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora, die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek sowie die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen und Partner aus Meiningen, Gera, Weimar und anderen Orten. Gefördert wird das Projekt vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit.