Neue Dauerausstellung zum jüdischen Leben in Erfurt

02.03.2023 13:40

Das jüdische Leben in Erfurt im 19. Jahrhundert bis in die Zeit der DDR steht im Zentrum der neuen Dauerstellung in der Kleinen Synagoge. Sie zeigt die wechselvolle Geschichte der Erfurter jüdischen Gemeinde anhand ihrer Mitglieder und Synagogenbauten, die exemplarisch für Wachstum und erzwungenen Niedergang der Gemeinde stehen.

Kleine Synagoge zeigt Geschichte der jüdischen Gemeinde im 19. und 20. Jahrhundert

Foto: Blick in die Ausstellung im ersten Untergeschoss der Kleinen Synagoge Foto: © Stadtverwaltung Erfurt/Dirk Urban

Die neue Ausstellung ersetzt die alte aus dem Jahr 1998. Bei der Neukonzeption wurde gezielt die Besonderheit der Kleinen Synagoge hinterfragt. „Die jüdische Geschichte wird häufig als Leidensweg dargestellt“, erklärt Hardy Eidam, Oberkurator des Stadtmuseums. „Die Gefährdung durch Antisemitismus, die nicht erst 1933 begonnen hat, wird in dieser Ausstellung zwar mit erzählt, sie soll aber nicht im Vordergrund stehen. Dafür gibt es andere Orte im jüdischen Netzwerk, auch hier in Erfurt. Die Ausstellung in der Kleinen Synagoge soll einen Kontrapunkt setzen. Sie zeigt vor allem den Selbstbehauptungswillen und die Entwicklung der jüdischen Gemeinde, die die Stadt geprägt hat.“ Kuratorin Katharina Pecht ergänzt: „Wir wollen hier die Geschichte des Lebens erzählen. Feste zu feiern ist zum Beispiel wichtiger Bestandteil des jüdischen Jahres.“ So finden sich in der Ausstellung z. B. auch Zeugnisse des Purim-Kostümfestes und Fotos von Chanukka-Bällen. Auch das jüdische Vereinsleben, das sich zeitgleich mit der Zunahme antisemitischer Tendenzen intensivierte, um unter anderem die Identität der Jüdinnen und Juden zu sichern, wird in der kleinen Schau im Untergeschoss der Kleinen Synagoge belegt.

„Die Kleine Synagoge ist kein Täterort“, sagt Hardy Eidam. „Sie ist bzw. war ein Ort der Versammlung, der Religionsausübung, der Freude.“ Katharina Pecht: „Genau das soll die Ausstellung auch herausstellen: die Synagoge als Ort, um sich zu treffen, gemeinsam zu feiern. Genau dieses Leben wollen wir zeigen.“

Bildschirme laden dazu ein, interaktiv und spielerisch die Lebensgeschichten von sieben Erfurter Familien zu entdecken. Dargestellt werden die Familien Cars, Benary, Dublon, Hess, Unger, Littmann und Stein. „Dieser Teil der Ausstellung soll deutlich machen, welche Spuren diese Familien in Erfurt hinterlassen haben, die zum Teil heute noch zu sehen sind,“ sagt Hardy Eidam.

Die Ausstellung in der Kleinen Synagoge, An der Stadtmünze 5, kann ab dem 3. März 2023 Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr besucht werden.

Hintergrund

Die Begegnungsstätte Kleine Synagoge liegt unweit der Krämerbrücke im Zentrum Erfurts. Die 1840 geweihte Synagoge diente nur kurze Zeit als Gotteshaus der jüdischen Gemeinde, bis 1884 die Große Synagoge am heutigen Juri-Gagarin-Ring errichtet wurde. In dem klassizistischen Bau sind der Betsaal mit Toraschrein, die Frauenempore sowie eine Mikwe erhalten geblieben. Heute ist die Synagoge ein Ort für Konzerte, Lesungen und Seminare. Dabei stehen Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden sowie die Aufarbeitung der Geschichte der Gemeinde im Mittelpunkt.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts bekamen Juden erstmals seit dem Mittelalter wieder die Möglichkeit, das Bürgerrecht der Stadt Erfurt zu erlangen. Erfurt wurde ein wichtiger Industriestandort, die Zahl der Jüdinnen und Juden in der Stadt stieg stetig an – sie fanden ihren Platz in der Gesellschaft der Stadt, nahmen wichtige Rollen in Kultur, Wirtschaft und Politik ein. Der Holocaust beendet die Blütezeit der Gemeinde. Im Jahr 1952 entsteht der einzige Synagogenneubau der DDR, die Gemeinde verschwindet jedoch fast.