Öffentliche Führung in „Miriams Tagebuch“
Eine Sonderausstellung im Erinnerungsort wird zum Begegnungsort zwischen Erfurt und einer Familie in Israel
Sie erzählt die Geschichte der jungen Jüdin Marion, die mit ihrer Familie den Nationalsozialismus in Erfurt erlebte und durch ihre Auswanderung nach Palästina ihr Leben retten konnte. Ihre Geschichte wird in der Ausstellung an Orten erzählt, die jeder kennt: Am Anger hatte der Vater sein Büro als Generalvertreter für Musikaufführungsrechte, bevor er Berufsverbot erhielt. Das Schulgebäude des Evangelischen Ratsgymnasiums beherbergte die Mittelschule, die Marion Feiner als einziges jüdisches Mädchen ihrer Klasse besuchte. Im Nordbad entschied Marion als hervorragende Sportlerin 1936 einen Schwimmwettbewerb für ihre Schule und durfte als Jüdin dennoch nicht auf dem Siegerpodium stehen.
Es ist die Geschichte einer Familie, der die Nationalsozialisten eine Zukunft in Deutschland verweigerten und deren Nachkommen heute existieren, weil Marion Feiner Deutschland verlassen konnte. In Palästina/Israel baute sie sich ein neues Leben auf, dazu bekannte sie sich auch mit der Änderung ihres Vornamens in Miriam. Wie viele Prägungen die 2012 verstorbene Tagebuchschreiberin aus Erfurt mitnahm und an ihre Nachkommen weitergab, wurde nun bei den Besuchen ihrer Familie in der Ausstellung. deutlich. Drei der sieben heute erwachsenen Enkelkinder reisten aus Israel und den USA nach Erfurt. Sie alle waren sehr berührt, in der Stadt, aus der ihre Großmutter einst vertrieben wurde, nun Neues über ihre familiären Wurzeln und über ihre in der Shoah ermordeten Urgroßeltern zu erfahren.
Im Zentrum der Ausstellung steht das Tagebuch, das Marion Feiner an ihrem 14. Geburtstag im Dezember 1935 in Erfurt begann. Für vier Wochen war das sensible Original im Erinnerungsort Topf & Söhne zu sehen. Anfang dieser Woche wurde es von einer Kurierin der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem persönlich nach Israel zurückgebracht. Dennoch müssen die Ausstellungsbesucherinnen und Besucher darauf nicht verzichten. Sie sehen eine originalgetreue Nachbildung in der Vitrine und haben die Möglichkeit, das Tagebuch auf Tablets digital durchzublättern und dabei auch die Handschrift in Druckschrift sichtbar zu machen.
Am Sonntag, dem 9. Juli, findet um 15 Uhr eine öffentliche Führung in der Ausstellung statt, danach immer am zweiten Sonntag des Monats. Während der Laufzeit der Ausstellung bis Mai 2024 werden zudem drei- und fünfstündige Seminare für Schulklassen angeboten. Anfragen können an lernort.topfundsoehne@erfurt.de gesendet werden.