Arestantnlider – Ungehörtes hören
Neue Musik, geschaffen und aufgeführt von Josh ‚Socalled‘ Dolgin, inspiriert von bisher unbekannten, atemberaubend schönen und gleichzeitig problematischen ethnografische Aufnahmen osteuropäisch-jüdischer Kriegsgefangener (jidd.: arestantn) aus deutschen Lagern des Ersten Weltkriegs. Sie wurden dort unter Zwang aufgenommen und akribisch dokumentiert. Das Konzert bringt nicht nur die längst verstummten Stimmen der Kriegsgefangenen zum Klingen; es macht auch die vergessene Geschichte der Aufnahmen zwischen Gefangenschaft, Krieg und Rassismus wieder sichtbar.
Diese Geschichte ist zweischneidig: einerseits konnten die Aufnahmen in Kriegsgefangenenlagern Lieder und Stimmen bewahren, die sonst für immer verloren wären – andererseits entstanden die Aufnahmen unter Zwang und in Machtverhältnissen, die ungleicher nicht sein könnten. Das Projekt wirft in dieser Ambivalenz ethische Fragen auf: Wie prägte Macht die Situation der Aufnahme? Wie wird es in den Aufnahmen hörbar, wenn die Musiker gewissermaßen um ihr Leben spielen und singen? Wie kann ein künstlerischer Umgang mit diesem Material aussehen? Wie können wir die Menschen dahinter erinnern und als Widerstand gegen die Logik der Macht ihrer Entstehung ihre Stimmen wieder hörbar machen?
Josh ‚Socalled‘ Dolgin, weltbekannt als Rapper, Musikproduzent und Sänger, hat für diesen aufregenden Konzert-Abend einen ungewöhnlichen und völlig neuen Vorschlag zur künstlerischen Bearbeitung dieser Fragen geschaffen. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Musiker/-innen bringt er alte und neue Klänge, vertraute und nie gehörte Stimmen im Gegensatz zu ihrer Entstehung in kolonialer Aneignung und Beherrschung nun gleichberechtigt miteinander ins Gespräch – aus den Kriegsgefangenenlagern ins Heute.
Eintritt: 20 € / 11 €
Besetzung
Josh “Socalled” Dolgin (CAN)
Thomas Fritze (D)
Craig Judelman (USA)
Marine Goldwasser (F)