In den Straßen des mittelalterlichen Erfurt: Wirtschaftsbeziehungen zwischen Juden und Christen aus rabbinischer Perspektive.
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Zum Vortrag
Der Geldhandel war nicht nur eines der zentralen wirtschaftlichen Betätigungsfelder der Erfurter Juden, sondern spielte auch eine wichtige Rolle in lokalen sozialen Beziehungsgeflechten. Aus archivalischen Quellen können Kreditgeschäfte zwischen Erfurter Juden und christlichen Stadtbürgern im Allgemeinen erst für die zweite jüdische Gemeinde nach 1349 belegt werden, es wird aber angenommen, dass solche Geschäfte bereits früher nach mündlicher Vereinbarung durchgeführt wurden. Zur Untersuchung dieser Annahme wird der Vortrag daher eine andere Quellengattung in den Blick nehmen, nämlich Antwortschreiben rabbinischer Gelehrter auf Anfragen, die die Praxis jüdischen Rechts in Erfurt und an anderen Orten betrafen. Er wird verdeutlichen, wie die Schreiben trotz ihrer geringen Zahl zum einen die Möglichkeit bieten, Überlieferungslücken der archivalischen Dokumentation zu füllen, zum anderen bieten sie Einblicke in die jüdische Perspektive auf Geldgeschäfte und auf deren Bedeutung. Außerdem soll im Vortrag der soziale Kontext der Kredittätigkeit, beispielsweise hinsichtlich der Beteiligung von Frauen und von Personen mit geringer Verfügbarkeit von Kapital hinterfragt werden. Ausgehend vom Erfurter Beispiel eröffnen sich neue Blickwinkel auf die Diskussion um die Wirtschaftskontakte zwischen Juden und Christen im Mittelalter und um die Rolle, die die Geldleihe darin spielte.
Moderation
Prof. Dr. Karl Heinemeyer, Verein für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt e.V.
Zu den Personen
Rachel Furst ist zurzeit Forschungsstipendiatin der Abteilung für jüdische Geschichte an der Universität Haifa in Israel, nachdem sie vorher einige Jahre an der LMU München geforscht und gelehrt hat. Ihre Forschungsinteressen liegen insbesondere im Bereich der Praxisanwendung des jüdischen Rechts und der jüdisch-christlichen Beziehungen im mittelalterlichen deutschen Reich, ebenso wie in der Frauengeschichte und der gender history.
Sophia Schmitt ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für den Nahen und Mittleren Osten an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach ihrer Dissertation im Fach Mittelalterliche Geschichte über die jüdische Gemeinde von Regensburg im 15. Jahrhundert arbeitete sie mit Rachel Furst an einem Forschungsprojekt, in dessen Zentrum die methodische Aufarbeitung mittelalterlicher rabbinischer Rechtsgutachten als historische Quellen stand. Darüber hinaus konzentriert sich ihre Arbeit, insbesondere auf jüdische-christliche Beziehungen im urbanen Raum und im Recht, auf Gewaltgeschichte und neuerdings auf Naturkatastrophen im mittelalterlichen deutschen Reich.