Zerstörung der Erfurter Synagoge durch Brandstiftung

06.11.2025 19:00 – 06.11.2025 20:00

Eine Spurensuche nach 87 Jahren
Vortrag von Tom Fleischhauer, Historiker, Geschichtslehrer und Vorsitzender des Fördervereins des Stadtarchivs
Anschließendes Podiumsgespräch mit Prof. Dr. Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Dr. Michael Löffelsender, Kustos für die Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald in der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, und Anne Fromm, Journalistin der Tageszeitung
Moderation: Prof. Dr. Annegret Schüle, Leiterin des Erinnerungsortes Topf & Söhne

historische Aufnahme einer Gebäudefassade, hinter der Zerstörung zu erkennen ist
Die Große Synagoge Erfurt nach dem Brandanschlag, vermutlich am 10. November 1938 Foto: © Stadtarchiv Erfurt
06.11.2025 20:00

Zerstörung der Erfurter Synagoge durch Brandstiftung

Genre Veranstaltung
Veranstalter Stadtverwaltung Erfurt, Erinnerungsort Topf & Söhne
Veranstaltungsort Erinnerungsort Topf & Söhne, Sorbenweg 7, 99099 Erfurt

Georg Beuchel lieferte das Benzin an die SA

2017 übergab die Jüdische Landesgemeinde Thüringen dem Erfurter Stadtarchiv eine Akte mit dem Originaltitel: „Synagogenbrand 1938. Opel-Beuchel“. Auf 30 Seiten wurde darin das Bemühen von 1946 bis 1960 um Klärung der Täterschaft im Novemberpogrom 1938 in Erfurt sichtbar. 2020 veröffentlichte das Stadtarchiv Erfurt erstmals einen kurzen Aufsatz in der Zeitschrift „Stadt und Geschichte“ zum Inhalt dieser Akte.

Danach ergaben Zeugenvernehmungen der Kriminalpolizei Erfurt im Mai/Juni 1945, dass Georg Beuchel, Inhaber der Firma Opel Beuchel, in der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 auf Wunsch eines Kunden, der SA-Mitglied war, 60 Liter Benzin in das Haus der SA-Brigade in der Regierungsstraße lieferte. Als von dort rund 50 Männer mit Äxten und Beilen bewaffnet zur Synagoge am Kartäuserring aufbrachen, folgten ihnen Beuchel und seine Kollegen und wurden Zeugen der Brandstiftung. Danach fuhren sie in die Humboldtschule, wo sie eingelassen wurden und die Misshandlungen der in dieser Nacht verhafteten rund 200 jüdischen Männer durch SS, SA und Gestapo vor der Deportation in das Konzentrationslager Buchenwald beobachten konnten.

Am 18. Juli 1945 erstattete der Vorstand der Thüringer Synagogengemeinde Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen Georg Beuchel wegen Brandstiftung. Die Ermittlungen zogen sich hin, bis Georg Beuchel sich Anfang 1948 seiner Verhaftung durch Flucht in die westlichen Besatzungszonen entzog.

Die Unterlagen im Stadtarchiv belegen, dass Georg Beuchel das Benzin lieferte und durch seinen Aufenthalt an der Synagoge und in der Humboldtschule Mitwisser war. Wusste er zuvor, wofür das Benzin gebraucht wurde, war er also Mittäter?

2021 erschien in den „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt“ ein längerer Aufsatz. Tom Fleischhauer hatte dafür 500 Seiten Dokumente im Stasi-Unterlagen-Archiv, im Thüringer Landesarchiv und in Archiven anderer Bundesländer gelesen. Im Ergebnis bestätigte sich das Wissen um Georg Beuchel als Lieferant des Benzins. Gleichzeitig zeigten die Quellen nach 1945, dass er nach dem Krieg vehement abwehrte, gewusst zu haben, wofür der SA-Mann das Benzin verlangt hatte. Der Aufsatz bereitet diese Quellen aus und analysiert sie quellenkritisch, ohne die Frage nach der Mittäterschaft beantworten zu wollen oder zu können.

Im Kontext der Recherchen nahm Tom Fleischhauer Kontakt zu einem Nachkommen von Georg Beuchel in Baden-Württemberg auf. Aus einem zunächst zugewandten und freundlichen Kontakt entstand – als die Frage von Mittäterschaft und Schuldigsein von Georg Beuchel an den Vorgängen des 9. Novembers 1938 aufgeworfen wurde – eine heftige Auseinandersetzung. Inzwischen sieht sich Tom Fleischhauer damit konfrontiert, dass seine historische Recherche und Unvoreingenommenheit durch diesen Nachkommen öffentlich in Frage gestellt werden, er persönlich beleidigt, in Misskredit gebracht und mit Strafanzeigen bedroht wird.

Im Frühjahr 2025 entschied sich Tom Fleischhauer, die persönlichen Anfeindungen gegen ihn öffentlich zu machen. Am 5. Juli 2025 veröffentlichte die tageszeitung einen Bericht, nachdem sie mit allen Beteiligten gesprochen hatte.

Der Vortrag von Tom Fleischhauer und das Gesprächspodium werden folgende Fragen thematisieren: Was sagen uns die Quellen über Georg Beuchel und seine Rolle in der Nacht des 9./10. November 1938? Was bedeutet es, wenn historische Aufklärung über die nationalsozialistischen Verbrechen auf diese Weise behindert wird und Menschen, die sich dafür einsetzen, eingeschüchtert werden sollen?

In Zusammenarbeit mit
Jüdische Landesgemeinde Thüringen