Einblicke in den Bücherschatz der Bibliotheca Amploniana
Öffnung verschlossener Türen
In enger Kooperation mit der Universitätsbibliothek wird hier kontinuierlich ein Blick hinter sonst verschlossene Türen gewährt. Integriert in die Dauerausstellung zur mittelalterlichen Großstadt werden fortlaufend ausgewählte Codices präsentiert. Die eigens für die wertvollen Werke konstruierte Vitrine wird viermal im Jahr mit einem neuen Buch bestückt, sodass es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt. Nach jeweils sechs Wochen Ausstellungsdauer wird umgeblättert.
Exemplare und Termine in 2025
Derzeit wird im Stadtmuseum Erfurt die medizinische Sammelhandschrift Dep. Erf., CA 4° 173 mit dem Titel „Hippocrates, Aphorismi und andere Werke“ aus dem 13. Jahrhundert präsentiert.
Besonders sehenswert ist eine Abbildung von Hippokrates (um 460 bis um 370 v. Chr.) höchst selbst, umgeben von seinem vielzitierten Satz „Vita brevis, ars vero longa” – “Das Leben ist kurz, die Kunst hingegen lang“. Blatt 11v widmet sich dem griechischen Arzt, dessen Gelehrsamkeit durch ein Buch illustriert wird. Mit seinem Zeigefinger fordert er Aufmerksamkeit ein – eine Tugend, die bei den insgesamt 422 Lehrsätzen (Sentenzen) zu medizinischen Themen von Medizinstudenten bis ins 16. Jahrhundert hinein tatsächlich mehr als gefordert war.
Das ausliegende Werk zählt zum Kanon medizinischer Schriften, der sogenannten „Articella“, die bis ins 16. Jahrhundert hinein als das zentrale Lehrbuch für Medizinstudenten galt. Kein Wunder, dass sich in der „Bibliotheca Amploniana“ neben dieser noch acht weitere Articella-Handschriften befinden, schließlich war ihr Begründer, Amplonius Rating de Berka, selbst Medizinprofessor und praktizierender Arzt.
Details zum aktuellen Buch, den sprachlichen Bedeutungen und mehr erfahren Interessierte vor Ort. Ab dem 23. September wird ein neues Exemplar aus den Handschriften der Bibliotheca Amploniana zu sehen sein.
Damit die Vitrine auch während der kurzen Wechselphasen der Handschriften nicht leer bleibt, wird zeitweise die offizielle Amtskette des Rektors der Medizinischen Akademie gezeigt. Ein ebenfalls sehenswertes Exponat, von interessanter Herkunft und Geschichte:
Am 7. September 1954 wurde die Medizinische Akademie Erfurt mit einem Festakt feierlich eröffnet. Ihre Gründung galt als Bewahrung und Wiederbelebung der großen akademischen und wissenschaftlichen Traditionen der alten Erfurter Universität, die am 12. November 1816 durch die Preußische Regierung geschlossen worden war. Sichtbarer Ausdruck der Besinnung auf mittelalterliche Traditionen ist die vom Rat der Stadt Erfurt zur Eröffnung gestiftete Amtskette des Rektors mit den Nachbildungen des Siegels der Medizinischen Fakultät von 1475, dem Siegel des Amplonius Rating de Berka und dem ältesten Rektoratssiegel aus der Gründungszeit der Universität.
Präsentationszeitraum | Titel und Kurzbeschreibung | Umblättern |
14.01.2025 bis 03.04.2025 | UB Erfurt, Dep. Erf., CA 2° 31 Sammelhandschrift mit Werken und Kommentaren von Aristoteles |
am 24.02.2025 |
08.04.2025 bis 26.06.2025 | UB Erfurt, Dep. Erf., CA 4° 78 Handschrift mit Kommentaren zum Markus- und Johannesevangelium |
am 19.05.2025 |
01.07.2025 bis 18.09.2025 | UB Erfurt, Dep. Erf., CA 4° 173 Hippocrates, Aphorismi und andere Werke |
am 11.08.2025 |
23.09.2025 bis 11.12.2025 | UB Erfurt, Dep. Erf., CA 2° 27 Aristoteles: Physica und andere Werke |
am 03.11.2025 |
Ab 16.12.2025 | UB Erfurt, Dep. Erf., CA 8° 84 Sammelhandschrift zur Astronomie |
am 26.01.2026 |
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Einblick in ein Werk der Bibliotheca Amploniana Foto: © Stadtverwaltung Erfurt
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Einblick in ein Werk der Bibliotheca Amploniana Foto: © Stadtverwaltung Erfurt
Mehr zur historischen Büchersammlung
Die kostbare Handschriftensammlung des Amplonius Rating aus Rheinberg am Niederrhein wird in der Universitätsbibliothek Erfurt sachgerecht aufbewahrt, konservatorisch betreut, erschlossen, digitalisiert und erforscht. Die Manuskripte der größten erhaltenen Bibliothek eines mittelalterlichen Gelehrten vermitteln ein lebendiges Bild des Universitätsbetriebs und der internationalen Wissensnetzwerke des Spätmittelalters.
1412 gründete Amplonius Rating de Berka das Kolleg „Zur Himmelspforte“ (Collegium Porta Coeli) zur Versorgung und Förderung von Studenten der Universität. Amplonius selbst hatte ab 1392 in Erfurt studiert, wurde hier der erste Doktor der Medizin und zweiter Rektor. 1410 besaß er mit 633 Handschriften eine für seine Zeit einmalig große Sammlung, die in ihrem Kern bis heute geschlossen erhalten ist. Seine Bücher verzeichnete er in einem Katalog, stiftete sie seinem Kolleg und verfügte, dass jeder Stipendiat nach Abschluss seines Studiums der Bibliothek mindestens ein Buch zu überlassen habe. Dadurch wuchs die amplonianische Sammlung über die Jahrhunderte an, zunächst um weitere Handschriften, nach 1450 um Inkunabeln, später um jüngere Drucke. Die Bibliotheca Amploniana ist Eigentum der Stadt Erfurt und befindet sich seit 2002 in den sachkundigen Händen der Universitätsbibliothek.